- Steckenverlauf: Dawson Creek (Canada); Hall in Tirol (Krankenhaus), Seefeld in Tirol (Neustart)
- Entfernung: Unendlich weit …
- Reisedauer: 6 Monate bis Ende Krankenstand, gesamt 2 ganze Jahre bis zur vollen Genesung
Um so rasch als möglich aus der Wildnis Yukons nach Hause zu kommen, musste ich meine gesamte Radausrüstung zurücklassen. Nur ohne Gepäck nahm mich ein kleines Flugzeug zum nächsten größeren Flughafen mit. Anschließend benötigte ich weitere vier Tage und mehrere Umsteigestationen, auf denen ich oft stundenlang warten musste, bis ich wieder in Tirol war. Daheim angelangt, fand ich mich nicht einmal mehr in meinem eigenen Haus zurecht. Da meine Frau aus beruflichen Gründen nicht zu Hause war, war ich vorerst auf mich allein gestellt. Nur mit Mühe gelang es mir, mich zu entkleiden, aber ich war nicht in der Lage, mir selbst etwas zu Essen zu machen.
Nun wurde mir nochmals drastisch vor Augen geführt, wie dringend ich wirklich fachliche Hilfe benötigte. Durch meine Beziehungen zur Flugrettung und auch durch ein wenig Glück, erhielt ich umgehend einen Platz im Krankenhaus in Hall in Tirol. Ich schäme mich heute nicht zu sagen, dass dort die offene, psychiatrische Abteilung für die folgenden 13 Wochen mein Schutzbunker wurde. Ich wurde rund um die Uhr betreut, konnte mich dadurch fallenlassen und meinem Körper eine komplette Auszeit gönnen.
Nach gründlichen Untersuchungen erhielt ich erstmals eine genaue Diagnose: schwere Überlastungsdepression oder zu neudeutsch: Burn-out.
Nun hatte mein Absturz plötzlich einen Namen. Schon oft hatte ich in den letzten Jahren von diesem Begriff gehört. Aber zu tun hatte ich selbst nie damit. Jetzt befand ich mich mitten im Chaos. Vor allem in der Anfangsphase war eine medikamentöse Unterstützung unumgänglich, da ich weder essen noch schlafen konnte. In kürzester Zeit nahm ich über 15 Kilogramm ab und lag nächtelang grübelnd wach. Während meines Krankenhausaufenthaltes musste ich wieder grundlegende Dinge lernen: Barfußgehen, Bäume und Blumen berühren, Steintürme bauen … Jeden Morgen stand ein gemeinsamer Spaziergang auf dem Programm. Alkoholiker, Suizidgefährdete und Burn-out-Erkrankte nahmen gemeinsam, mehr oder weniger motiviert, an diesem sowie vielen anderen Pflichtprogrammen, teil.
Neben der medikamentösen Unterstützung bekam ich Hilfe von einem besonderen Menschen: Bereits von Yukon aus hatte ich eine klinische Psychologin kontaktiert, die mir schon einmal in früherer Zeit geholfen hatte. Petra wurde meine eigentliche Lebensretterin. Sie fing mich nach meiner Rückkehr auf und führte mich mit großer fachlicher Kompetenz und ihrer feinfühligen Art in den kommenden Monaten durch meine Krise. Vor allem in der Anfangsphase half sie mir, jeden einzelnen Tag zu überstehen. In vielen Therapiestunden arbeiteten wir zunächst die vielen negativen Erlebnisse meiner Kindheit auf, in die auch der frühe Tod meiner geliebten Mutter gefallen ist. Meine 20 Jahre als Leistungssportler mit dem permanenten psychischen Druck und Raubbau an meinem eigenen Körper waren ebenso Thema wie die versteckten Traumata bei vielen Einsätzen mit dem Rettungshubschrauber oder meine mehr als 30 Jahre im Polizeidienst. Meine Therapeutin gab mir wieder Struktur im Leben. Unter ihrer Aufsicht machte ich Schritt für Schritt und setzte neue Ziele.
Gerade in der Genesungsphase eines Burn-out ist eine stabile soziale Struktur von besonderer Wichtigkeit, vor allem der Halt in der eigenen Familie. Leider war mir dieser Halt nicht vergönnt. Nach zwei Kurzbesuchen meiner Ehefrau zu Beginn meines Krankenhausaufenthaltes war auch meine Ehe zu Ende. Noch während meiner weiteren medizinischen Versorgung wurden mir die Scheidungspapiere vorgelegt. Nach einer kurzen Ehe, aus der mein Sonnenschein Jacob stammt, stand ich plötzlich auf der Straße. Rückblickend muss ich leider zugeben: Zum Großteil war ich selbst schuld!
Ab diesem Zeitpunkt hatte ich neben meiner Krankheit also auch noch die Trennung von meiner Familie zu verarbeiten. Damals bin ich tatsächlich an meiner absoluten Grenze angelangt. Es hat ganz viele Stunden gegeben, da habe ich geglaubt, dies nicht zu verkraften.
Während meiner Therapiezeit haben sich aber auch andere, neue Türen geöffnet. Ich bin in die Welt des Yoga eingetaucht und beschäftigte mich während zweier mehrwöchiger Aufenthalte im Sonnenpark in Lans in Tirol - einem speziellen Zentrum für psychosoziale Gesundheit - mit Musik und Malerei. Dort nahm ich auch den früheren Plan wieder auf, ein Buch über meine Radreisen zu schreiben. Dieses Vorhaben endlich zu realisieren, war ein wichtiger Teil meiner Verarbeitung. Nach mehreren Monaten Therapie begann auch wieder mein Weg zurück in das Berufsleben. Bevor ich meinen ersten Dienst bei der Polizei absolvieren konnte, erfolgten aber noch umfangreiche Untersuchungen. Auch konnte ich erst nach einem intensiven Auswahlverfahren wieder in den Rettungshelikopter des österreichischen Flugrettungsunternehmens ÖAMTC steigen. Ein weiterer wichtiger Baustein zu meiner Genesung war auch eine regelmäßige leichte, sportliche Tätigkeit.
Erwähnen möchte ich auch noch einen damals für mich sehr wichtigen Menschen: Simone.
Sie ist mir beigestanden und fast hätten wir es geschafft, ein Paar zu werden. Aber unsere Interessen waren doch zu unterschiedlich und jeder ist seinen eigenen Weg gegangen.
Insgesamt sind fast 3 Jahre vergangen, „bis die Welt wieder halbwegs in Ordnung war“ Damals in Alaska habe ich die richtige Wahl getroffen: Vom Rad abzusteigen und Hilfe anzunehmen. Aus meinen früheren Fehlern habe ich (vieles) gelernt und hoffe, diese nicht zu wiederholen. Einiges muss ich jedoch noch lernen, denn alte Muster schleichen sich natürlich immer wieder ein.
Die nächsten Projekte konnten kommen ...